Caro Starks praktikable Lösungen für Schieflagen
Für die Krimikomödie „Die 39 Stufen“ entwarf Caro Stark exakt 39 Kostüme und dazu eine Bühne, die so rasch zu verwandeln ist, dass das Stück von Patrick Barlow nach dem Roman von John Buchan mit nur vier Schauspielern zu bewältigen war. Dass auch noch die Schwarz-Weiß-Ästhetik der Verfilmung von Hitchcock zitiert werden konnte, machte die Produktion – inszeniert von Joachim Rathke – zu einem Highlight im Winter 2021 am Theater Konstanz.
Da hatten sich zwei kreative Köpfe gefunden. Caro Stark hat etwa im Theater Kosmos in Bregenz mehrere Ausstattungen entworfen und leitet mit Stephan Kasimir in Vorarlberg das auf zeitgenössische Literatur spezialisierte Theaterunternehmen Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, in dem Rathke bereits gastiert hatte.
Nun ließ sich die Bühnenbildnerin am westlichen Bodenseeufer auf ein ambitioniertes Experiment ein. „(Keine) Panik auf der Titanic“ heißt es in der Spiegelhalle im Hafengelände, einer jungen Spielstätte des Theaters Konstanz, dessen Geschichte ins frühe 17. Jahrhundert zurückreicht und dessen Haupthaus einst ein Jesuitenkloster war. Wie viele Unternehmen kooperiert auch das Theater Konstanz mitunter mit Amateurgruppierungen. Spielfreudige Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, die sich anderswo etwa BürgerInnenchor nennen, treten hier als Stadtensemble auf.
Mit Doris Happl hat eine vielseitig tätige und auch im Bereich des Kabaretts erfahrene Regisseurin das Ruder übernommen. Caro Stark hatte nun nicht ganz so viele Kostüme zu entwerfen, sie bringt damit jedoch die unterschiedlichen Charaktere der Passagiere und der Crew augenzwinkernd auf den Punkt und hatte für den lädierten Dampfer – und weitere Schieflagen – eine praktikable und sich sofort erschließende Lösung zu finden.
„Act now!“
Fazit: Keine Panik auf dieser Titanic. Wie es die Klammern im Titel symbolisieren, besteigen die Besucher aber nicht einfach nur einen Ausflugsschiff, auf dem ein paar Witze über Snobs, Standesdünkel, Liegestuhlreservierer, distinguierte Butler, Misanthropen oder Flirtwillige gerissen werden. Mit viel Musik, in heiterer Stimmung und trotz des Songs „Stormy Weather“ ohne klischeehaft düstere Wolken aufziehen zu lassen, kommen in dieser Revue auch die harten Fakten wie das Ignorieren der bedrohten Natur oder die ungerechte Verteilung der Güter auf das Deck.
Die historische Titanic ist im April 1912 mit einem großen Eisberg kollidiert und gesunken. Über hundert Jahre später bringt eine engagierte Crew den zynischen Gag, dass es bald ohnehin nur noch kleine Eisberge geben wird, zur Wirkung.
„Act now!“ steht auf dem Transparent, das gegen Ende von einer Klimaaktivistin enthüllt wird. Die Kapitänin hat die Notwendigkeit längst kapiert, den anderen dämmert sie.
„(Keine) Panik auf der Titanic“ heißt es in Konstanz noch bis 6. Mai.
Christa Dietrich
Szenenbilder: Caro Stark