Tausende Kinder machen „Die Zauberflöte“ bei den Bregenzer Festspielen zum Friedensfest
„Die Zauberflöte“, das 1791 uraufgeführte Werk von Wolfgang Amadeus Mozart und Emanuel Schikaneder, zählt zu jenen Opern, mit denen nahezu jedes Kind in Europa an dieses Genre herangeführt wird. Obwohl mittlerweile viele Institutionen gekürzte Fassungen für junge Zuschauer erstellt haben, ist das Märchenspiel über den Konflikt zwischen Sarastro und der Königin der Nacht sowie der Paare Pamina/Tamino und Papageno/ Papagena keine Geschichte, die sich leicht erschließt. Der philosophische Aspekt und vor allem die Gewalt eröffnen Regisseurinnen und Regisseuren zwar Möglichkeiten – aber für Kinder?
Oft wird ein erläuternder Erzähler eingeführt und dann klappt das meist irgendwie, denn die Melodien sind – wie wir wissen – sehr eingängig.
Gemeinschaftsproduktionen mit internationalen Organisationen sowie vielen Lehrerinnen und Lehrern in der Region
Die Bregenzer Festspiele setzen solchen Bemühungen nun noch eins drauf. Im Rahmen ihres Angebots für das junge Publikum kooperieren sie nicht nur mit Einrichtungen wie AsLiCo und Opera Domani, mit denen schon in den letzten Jahren Produktionen realisiert wurden, neben der Opéra Grand Avignon und der Opéra Rouen Normandie sind vor allem auch die Organisation Superar Vorarlberg, die Chorklassen der Musikschule Bregenz, die Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg und somit viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer mit im Boot.
Das Ergebnis ist ein Fest, es ist begeisternd, berührend, mitreißend, geht ans Herz und ist sowieso etwas ganz Besonderes. Etwa tausend Kinder (so viele fasst der Parterre-Bereich des Festspielhauses, der sich im Laufe der Aufführungssserie noch mehrmals füllt) hier beim Mitmachen, Mitsingen und -sprechen zu erleben, das bleibt als Ereignis lange haften. Zumal diese etwa 80-minütige Version mit einem Friedensaufruf endet, für den die Kinder eigens Plakate gebastelt haben und den sie lautstark formulieren. Sarastro und die Königin der Nacht haben keine andere Wahl als die Waffen einfach ruhen zu lassen. Schon ist sie weg diese merkwürdige Kluft zwischen Männerbund und Frauenreich, die – wie Opernkenner wissen – im sonst so freundlichen Stück, in dem die Liebe so oft angesungen wird, immer schon etwas schwer verdaulich war.
Dass Regisseurin Caroline Leboutte es auch noch schafft, per witziger Abstimmung manch frauenfeindliche Bemerkung im Libretto als überflüssig abzutun, ist neben der klugen und witzigen Straffung und der guten Einbeziehung des Publikums ein weiteres Plus.
Etwa 20 Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg unter der Leitung von Hartmut Keil, verleihen der „Zauberflöte“ den schönen Klang, von Ausstatterin Aurelie Borremans lernen wir, dass es nicht viel mehr als einen schlangenförmigen Steg für die Auf- und Abtritte braucht, Pamina (Veronika Seghers) darf selbstverständlich die Hosen anhaben, Papageno (Yurii Strakhov) und Papagena (Julia Helena Bernhart) sind Hippies, Sarastro (Bastian Thomas Kohl) darf durchaus so altersschwach gezeichnet werden, wie man es hier macht, die Königin (Albertina Del Bo) ist halt etwas überspannt und Tamino (Dario Pometti) ein bis über beide Ohren verliebtes Greenhorn. Die Stimmen sind niveauvoll und die Story mit zwei kommentierenden Journalisten noch eigens zusammenzuhalten, ist eine gute Idee wie die Erläuterung in Gebärdensprache, die die Kinder gleich übernehmen.
Das Schönste am Konzept ist sowieso, wie und dass es gelingt, die Zuschauer nicht nur ab und zu aktiv werden zu lassen, sondern sie wirklich ins Geschehen miteinzubeziehen. Da haben die Lehrerinnen und Lehrer, die Musikerinnen und Musiker sowie die Organisation Superar Vorarlberg ungemein viel Vorarbeit geleistet. Die jungen Zuschauer vor mir haben bei der Premiere am Dienstagvormittag nicht nur die Partie der Knaben erstaunlich gut gesungen, sondern auch sonst sehr viel wortdeutlich mitkommentiert, haben die Einsätze genau getroffen und sind auch bei den hohen Tönen der Königin der Nacht nicht verstummt.
Zum Friedensfinale wurde gejubelt was die rund tausend Kinderstimmen nur hergeben. „Der Klang des Friedens“ lautet der Untertitel dieser „Zauberflöte“.
Besonderer Stellenwert in der Geschichte der Festspiele
Man hat sich an den Versöhnungsschluss erinnert, den David Pountney in den Sommern 2013 und 2014 für seine Inszenierung der „Zauberflöte“ auf dem See wählte und auch an jene „Zauberflöte“, mit der Alfred Wopmann die Seebühnenproduktionen im Jahr 1985 revolutionierte als er sich Jérôme Savary für Bregenz aus Frankreich holte.
Diese Oper von Mozart hat einen besonderen Stellenwert in der Geschichte der Bregenzer Festspiele. Nach den Konzepten der beiden genannten ehemaligen Intendanten hat Intendantin Elisabeth Sobotka nun einen weiteren Aspekt hinzugefügt. Einen besonders wertvollen.
Christa Dietrich
Am Mittwoch, 24. Mai, sind weitere Aufführungen vorgesehen.
Szenenbilder: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
Bilder mit den Kindern im Publikum: Christa Dietrich