Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ – eine schöne Zäsur beim besonderen Lech Classic Festival
Es dokumentiert die Ambitionen der Musikmanagerin Marlies Wagner, das Publikum ihres Lech Classic Festivals nicht nur mit Stars und jungen Sängerinnen und Sängern zu konfrontieren und ihm damit exklusive Erlebnisse zu bescheren, auch das Musiktheater ist ein Programmbestandteil der auf das klassische Konzertrepertoire ausgerichteten Veranstaltungsreihe.
Nach inspirierenden Darbietungen – etwa von Ausschnitten entsprechend bearbeiteter Opern von Richard Wagner – in der Kirche und Beethovens „Fidelio“ im Sportpark, bietet ihr das neue Lechwelten-Gebäude nun die Möglichkeit aus dem Vollen schöpfen.
Der Einzug in den vor wenigen Wochen eröffneten Mehrzweckbau im Zentrum der Arlberggemeinde entspricht somit einer Zäsur in der Festivalgeschichte, die im Jahr 2012 begann. Kurz: Im nun angemessenen Rahmen lässt sich feiern, was man aufgebaut hat, denn sage keiner, dass es einfach wäre, in einer auf die Natur und den Sport konzentrierten Region mit anspruchsvoller Musik an sechs Abenden en suite einen Saal mit 500 bis 600 Plätzen zu füllen.
Abgesehen davon hat die Festivalleiterin mit Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ – aufgeführt am Samstagabend – besondere Erwartungen geschürt. Entspricht die Akustik? Hält das Festivalorchester mit den für jedes Pult eigens engagierten Musikerinnen und Musikern das Niveau, das die Sängerinnen und Sänger versprechen, deren Namen auf den Besetzungslisten großer, namhafter Häuser stehen? Und überhaupt, wie sieht es mit dem Spannungsbogen einer semi-szenischen Aufführung aus, die von einem Erzähler kommentiert wird?
Letzteres zählt zu den besonderen Erfahrungen, denn Tetsuro Ban, der seit Jahren beim Lech Classic Festival tätige Dirigent, hat sein Orchester derart im Griff (wobei das umgangssprachliche „im kleinen Finger haben“ hier absolut zutreffend ist), dass die Energie anhält, die eine „Cosi“ braucht. Und das sicher nicht, weil er ein Vertreter eines rasanten Mozartstils wäre. Er ist ein Pedant im besten Sinne und wohl auch so etwas wie ein Wunschpartner für die Sängerinnen und Sänger.
Die Samtstimme von Margarita Gritskova lässt das Drama, das Dorabella durchmacht, miterleben, Jennifer O’Loughlin erreicht als Fiordiligi alle ihre Spitzentöne unangestrengt, Pavel Kolgatin (Ferrando) kontert souverän mit Tenorglanz, Uliana Alexyuk zeigt als Despina die faszinierende Geschmeidigkeit und den Humor, den die Partie braucht und Peter Kellner (Guglielmo) repräsentiert im Besonderen das, was diese Besetzung ausmacht: Es sind große Stimmen, die man für Lech engagiert hat und – bei Mozartopern besonders wichtig! – sie harmonieren bestens in den Terzetten, Quartetten etc. Als Einspringer hält Günter Haumer als Don Alfonso das Geschehen routiniert am Laufen.
Hintergrundtransparente zeigen eine Villa und Gärten in Neapel, verlagern diese „Scuola degli amanti“ (so der Untertitel), in der die Treue der Frauen (aber auch der Männer) mit desillusionierendem Ergebnis überprüft wird, an den eigentlichen Handlungsort. Dass sich das Vesuv-Bild mit dem durch ein Saalfenster zu erblickenden Bergpanorma verband, ließ schmunzeln und angesichts feudaler Pracht braucht es in den Textpassagen keine zeitgenössisch psychologischen Aspekte zu geben, von denen „Cosi“-Inszenierungen heutzutage durchaus zu Recht geprägt sind. Verstaubt wirkt das dennoch nicht, anstelle der Rezitative erläutert der Schauspieler Joseph Lorenz nicht nur den Handlungsverlauf, er interpretiert (mit einem Text von Franz Wagner) auch Mozarts Musik sowie das Libretto von Da Ponte und betont somit, dass Marlies Wagner darauf aus ist, Publikum für die klassische Musik zu gewinnen. Bei derart lebendiger Rezitation konnte aber auch der, der die Oper gut kennt, seine Freude daran haben.
Übrigens: Die Akustik stimmt und bietet somit großartige Voraussetzungen für die nächste Saison dieses besonderen Festivals, das am Sonntag mit einem Mendelssohn-Programm (inklusive Schauspielmusik zum „Sommernachtstraum“ und 1. Klavierkonzert) zu Ende geht.
Christa Dietrich